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Aktuelles

Positionspapier: Grundsätze für die faire Beschäftigung pflegender An- und Zugehöriger


05. Dezember 2024

Berlin, 5. Dezember 2024 – Der Bundesverband pflegender Angehöriger, wir pflegen e.V., veröffentlicht heute zehn Grundsätze für Modellvorhaben, die unbezahlt pflegende An- und Zugehörige in ein formelles Beschäftigungsverhältnis überführen wollen.

„Wachsender Personalmangel und fehlende Entlastungsangebote in der häuslichen Pflege zwingen Tausende erwerbstätige Angehörige ihre berufliche Tätigkeit zu reduzieren, um die Pflege ihrer Angehörigen zu sichern – oft mit erheblichen finanziellen Einbußen“, sagt Sebastian Fischer, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes. „Dies führt dazu, dass zunehmend Konzepte für einen ‚Pflegelohn‘ für Angehörige ins Gespräch gebracht werden, auch bereits in Wahlkampfpositionen der Parteien.“

Aufgrund der europaweiten Problematik nahm der Dachverband EUROCARERS dies zum Anlass mit europäischen Mitgliedsorganisationen im November 2024 zehn Grundsätze für faire Vereinbarungen für die formelle Beschäftigung von Angehörigen zu veröffentlichen.

„Der Bundesverband wir pflegen e.V. hat die Grundsätze für faire Vereinbarungen mit Angehörigen mitgestaltet und übernommen, sie gelten europaweit und auch für Deutschland,“ so Sebastian Fischer. „Mit der deutschen Fassung des Positionspapiers schauen wir über den Tellerrand auf Modellprojekte anderer europäischer Länder und bringen die Grundlagen einer fairen und nachhaltigen Beschäftigung Pflegender An- und Zugehöriger stärker in die öffentliche Debatte in Deutschland ein.“

„Es ist höchste Zeit, dass die informelle Pflegearbeit von Angehörigen auch formelle Anerkennung erhält. Die Möglichkeit der Anstellung pflegender An- und Zugehöriger bietet Chancen und birgt zugleich Risiken. Unser gemeinsames Positionspapier mit Eurocarers stellt klare Prinzipien auf, was bei der formellen Beschäftigung von pflegenden Angehörigen in ganz Europa beachtet werden muss. Wir freuen uns, diese wertvollen Empfehlungen nun auch in Deutschland zur Diskussion zu stellen“, erklärt Sebastian Fischer.

Kernpunkte des Eurocarers-Positionspapiers:

Grundsatz 1 – Faire finanzielle Vergütung

Pflegende Angehörige, die im Rahmen neuer Modelle beschäftigt werden, müssen eine faire Vergütung erhalten, die den Umfang ihrer Verantwortung widerspiegelt, sich an den Tarifen des öffentlichen Dienstes orientiert und immer über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt. 

Grundsatz 2 – Gleiche Rechte für alle Arbeitnehmer
Wer als pflegender Angehöriger in einem formalen Beschäftigungsrahmen tätig ist, muss dieselben Rechte wie jeder andere Arbeitnehmer haben, darunter gerechte Entlohnung, bezahlte Urlaubstage, Krankheitsurlaub und Rentenansprüche.

Grundsatz 3 – Wahlfreiheit und selbstbestimmte Unterstützung
Die Pflegebeziehung muss frei und selbstbestimmt gestaltet werden können. Pflegende Angehörige und Pflegebedürftige sollten die Flexibilität haben, die Art und Weise der Pflege und die Bedingungen nach ihren individuellen Bedürfnissen zu gestalten.

Grundsatz 4 – Verbesserung der Lebensqualität
Das oberste Ziel vertraglicher Beschäftigungsprogramme muss darin bestehen, das Wohlergehen sowohl der Pflegenden als auch der Pflegebedürftigen zu verbessern. Diese Systeme sollten darauf abzielen, die Lebensqualität zu verbessern, indem sie greifbare Vorteile wie eine bessere finanzielle Absicherung für die Pflegenden und bessere Pflegeergebnisse für den Einzelnen bieten. Der Erfolg sollte nicht nur an den finanziellen oder quantitativen Ergebnissen gemessen werden, sondern auch an den erreichten Verbesserungen des persönlichen Wohlergehens und der Beziehungsqualität.

Grundsatz 5 – Kontinuierlicher Zugang zu Dienstleistungen durch beruflich Pflegende

Vertragliche Beschäftigungsprogramme sollten formelle Pflegedienste ergänzen, nicht ersetzen. Es ist wichtig, dass pflegende An- und Zugehörige und die von ihnen Gepflegten weiterhin Zugang zu professionellen Dienstleistungen wie Entlastungspflege, pflegerische Unterstützung oder emotionale und therapeutische Dienste haben. Die Bereitstellung von Beschäftigungsmöglichkeiten für informell Pflegende sollte ihre Kompetenzen zur Pflege verbessern, aber nicht die gesamte Verantwortung für die Pflege auf sie abwälzen, was letztlich die Qualität der geleisteten Pflege untergraben würde.

Grundsatz 6 – Einkommenssicherung für die pflegebedürftige Person

Die finanzielle Sicherheit der zu pflegenden Person muss unter allen Umständen gewährleistet sein. Vertragliche Beschäftigungsprogramme, die von lokalen Behörden oder Dritten durchgeführt werden, sollten niemals das persönliche Einkommen oder die Leistungen des Pflegebedürftigen zur Finanzierung des Lohns der Pflegeperson umleiten. Andernfalls würde die finanzielle Unabhängigkeit des Einzelnen untergraben, die für seine Autonomie und Selbstbestimmung von wesentlicher Bedeutung ist. 

Grundsatz 7 – Möglichkeit, Angehörige zu beschäftigen

Für manche Menschen ist die Beschäftigung eines Familienmitglieds als Pflegekraft die beste Option, da sie Vertrauen und Vertrautheit bietet. Persönliche Budgets sollten diese Flexibilität zulassen und es Menschen mit Pflegebedarf ermöglichen, enge Verwandte zu beschäftigen, wenn sie dies wünschen. Dabei müssen jedoch die arbeitsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden, um eine Ausbeutung zu verhindern und sicherzustellen, dass alle Beteiligten durch die üblichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen geschützt sind.

Grundsatz 8 – Förderung des Engagements von Männern in der Pflege

In der Vergangenheit wurde die Pflege als eine vorwiegend weibliche Aufgabe angesehen, was zu einem Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern sowohl bei der unbezahlten als auch bei der bezahlten Pflegearbeit führte. Vertragliche Beschäftigungsinitiativen sollten diese Stereotypen aktiv in Frage stellen, indem sie eine stärkere Beteiligung von Männern fördern. Dies könnte gezielte Öffentlichkeitsarbeit, Schulungsprogramme und Sensibilisierungskampagnen umfassen, die die Bedeutung der Pflegearbeit und ihren Wert für alle Geschlechter hervorheben. 

Grundsatz 9 – (Wieder-)Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt

Auch wenn die Pflege für einige eine Vollzeitbeschäftigung sein mag, werden viele Pflegende irgendwann in eine andere Beschäftigung wechseln wollen oder müssen. Vertragliche Beschäftigungsprogramme sollten Unterstützung für die berufliche Entwicklung bieten und es den Pflegenden ermöglichen, neue Fähigkeiten, Qualifikationen und Berufserfahrung zu erwerben. In diese Beschäftigungsprogramme sollten Ausstiegsstrategien integriert werden, die den Pflegenden den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen, wenn sie dies wünschen, so dass sie wieder neue Karrieremöglichkeiten außerhalb des Pflegesektors wahrnehmen können.

Grundsatz 10 – Partnerschaften und Beteiligung

Beschäftigungsprogramme für informell pflegende An- und Zugehörige müssen einen partnerschaftlichen Ansatz verfolgen, der die volle Beteiligung aller Interessengruppen vorsieht. Die Interessenorganisationen der pflegenden An- und Zugehörigen müssen als gleichberechtigte Partner im Mittelpunkt aller Verhandlungen stehen.

Das gesamte Positionspapier steht unter folgendem Link zum Download bereit: Positionspapier "Faire Vereinbarungen für pflegende An- und Zugehörige"

Für weitere Informationen und Medienanfragen wenden Sie sich bitte an:
wir pflegen e.V.
Lisa Thelen, Referentin für Medien und Öffentlichkeitsarbeit
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