Berlin. Der Bundesverband wir pflegen e.V. sieht den Referentenentwurf zum geplanten Pflegeunterstützungs- und -Entlastungsgesetz kritisch. Greifbare Entlastungen für pflegende Angehörige, dem größten Pflegedienst Deutschlands, bleiben weitgehendst unberücksichtigt.
„Eine Ohrfeige für pflegende Angehörige“ nennt Sebastian Fischer, Vorstand von wir pflegen e.V., den aktuellen Referentenentwurf der Bundesregierung zu Entlastungen in der Pflege. „Trotz des akuten Pflegenotstands in Deutschland hat das Gesundheitsministerium statt einer umfassenden Pflegereform nur ein Feigenblatt-Reförmchen produziert.“
„Für die pflegenden Angehörigen, die 86 Prozent aller Pflegebedürftigen zu Hause umsorgen, werden sich kaum Verbesserungen ergeben. Wir müssen das Ding beim Namen nennen: die viel zu kurz gegriffenen Maßnahmen werden den wachsenden Bedarf von Pflege und die höheren Kosten weitgehend auf die betroffenen Familien abwälzen. Dies entspricht nicht den Versprechen von SPD, B90/Die Grünen und FDP im Koalitionsvertrag.“
Die Interessenvertretung pflegender Angehöriger kritisiert insbesondere, dass keine bedarfsgerechte qualitative und quantitative Verbesserung der Unterstützungsangebote vorgesehen ist. Dies erschwert pflegenden Angehörigen unter anderem eine Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Gerade Frauen, die nach der Kindererziehung Sorgearbeit leisten, können wachsende Pflegeverantwortung oft nicht mit ihrem Berufsleben vereinbaren, mit verheerenden Auswirkungen für die eigene Rente. Forderungen nach einem Rechtsanspruch auf Tagespflege analog dem der Kindertagesstätten wurde ebenso wenig aufgegriffen wie die Forderung nach einer Lohnersatzleistung analog dem Elterngeld. Seit Jahren wartet wir pflegen e.V. hier auf klare Maßnahmen des Bundesfamilienministeriums.
Schon jetzt ist die unbezahlte häusliche Pflege eine der Hauptrisiken für Altersarmut. Dies wird sich mit diesem Referentenentwurf im derzeitigen Format nur verstetigen.
„Das Pflegegeld wurde zuletzt im Jahre 2017 angepasst. Vorgesehene Erhöhungen um fünf Prozent liegen weit hinter den Inflationsraten der vergangenen Jahre zurück. Zudem fehlt ein Paradigmenwechsel hin zu Investitionen in die häusliche Pflege. Weiterhin soll ein überproportional hoher Anteil der finanziellen Unterstützungsleistungen in die stationäre Unterbringung fließen, obwohl dort nur 16 Prozent der pflegebedürftigen Menschen versorgt werden,“ beklagt auch Edeltraut Hütte -Schmitz, Vorständin des Bundesverbandes.
„Die geplanten Maßnahmen aus dem Hause Lauterbach gehen zudem völlig an den Bedarfen pflegender Familien von chronisch kranken und/oder behinderten Kinder und Jugendlichen vorbei,“ ergänzt Hütte-Schmitz.
wir pflegen e.V. empfiehlt, den Gesetzentwurf mit einem ressortübergreifenden nationalen Aktionsplan zu begleiten, wie dies in anderen europäischen Ländern bereits praktiziert und in der Nationalen Demenzstrategie auch in Deutschland verwirklicht wird.
„Die prekäre Situation der häuslichen Pflegeversorgung hätte es verdient, dass der Gesetzentwurf Bund, Ländern und Kommunen in die Pflicht nimmt, pflegende Angehörige als gleichberechtigte Partner in der Pflege anzuerkennen, ihnen ein Mitspracherecht in allen Pflegegremien zuzuerkennen und Strategien zur Stärkung bedarfsgerechter pflegeorientierter Sorgestrukturen zur gemeinsamen Aufgabe aller Akteure macht.“
„Es braucht mehr Mut zur Pflege. Das genannte Ziel, die häusliche Pflege zu stärken und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen sowie andere Pflegepersonen nachhaltig zu entlasten, lässt sich über die viel zu kurz gegriffenen Maßnahmen des Referentenentwurfs so nicht erreichen“ fasst Fischer enttäuscht zusammen.
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