26. Januar 2021
Die Corona-Impfungen sind in allen Bundesländern angelaufen. Doch bei vielen pflegenden Angehörigen herrscht große Unsicherheit, wann und wie sich und ihre Pflegebedürftigen impfen lassen können. Hierzu erklärt der Vorstand des Bundesverbands wir pflegen – Interessenvertretung und Selbsthilfe pflegender Angehöriger:
„In der Impfverordnung des Bundes gehören enge Kontaktpersonen von hochbetagten Pflegebedürftigen, chronisch Kranken (z.B. mit Demenz) oder Menschen mit spezifischen Behinderungen (auch Kinder) zur Gruppe, die eine Corona-Schutzimpfungen mit hoher Priorität erhalten sollen.
Doch nach einer Recherche von wir pflegen e.V können pflegende Angehörige nur auf der Hälfte der Informationsportale der Bundesländer den Informationen entnehmen, dass sie zur Gruppe 2 gehören. Auf den Seiten des Landesportals NRW sowie auf der Seite des hessischen Ministerium für Soziales und Integration werden pflegende Angehörige überhaupt nicht genannt, obwohl dort detaillierte Auflistungen aller priorisierter Gruppen zu finden sind.
Sebastian Fischer Vorstandsmitglied von wir pflegen e.V. kommentiert die Sorgen vieler pflegenden Familien: „Pflegende Angehörige fühlen sich einmal mehr vergessen, nicht angesprochen und schlecht informiert. Betroffen sind mindestens 5 Mio. Menschen, die in häuslicher Pflege rund 80 Prozent aller Pflegebedürftigen in Deutschland versorgen. Eine wichtige Gruppe, die nicht vernachlässigt werden darf.“
„Eine Gesellschaft, die den Schutz vulnerabler Gruppen ernst nimmt, muss darauf zielen, dass Pflegende und Pflegebedürftige zuhause genauso geschützt werden können wie Heimbewohner. Es wird nach fast einem Jahr Pandemie Zeit, pflegende Angehörige als gleichberechtigte Partner in der Pflege in alle Maßnahmen wie professionelle Pflegekräfte einzubeziehen.“
Damit dies tatsächlich gelingt, drängt der Bundesverband wir pflegen e.V. darauf, die Kommunikation mit pflegenden Angehörigen zu verbessern. Wie sollen die Menschen erfahren, wann und wo sie ihr Recht auf Impfung wahrnehmen können, wenn sie als Gruppe auf Informations-Portalen nicht explizit erwähnt und gezielt angesprochen werden? Viele ältere Menschen sind zudem über Internet nur begrenzt erreichbar. Lange Warteschleifen am Telefon schrecken ab. Gerade diejenigen, deren Nerven durch die Belastungen im Pflegealltag blank liegen, drohen einmal mehr durchs Raster zu fallen.
Wichtig ist deshalb: In der 2. Welle der Pandemie brauchen pflegende Angehörige kurzfristig verlässliche Angebote. Dazu ist der Einsatz von Krisenpersonalpool und Notfalleinsatzteams in allen Bundesländern nötig, auch für den ambulanten Bereich der Pflege. Zudem sollte die Politik verstärkt für ein zivilgesellschaftliches Engagement werben und geeignete Strukturen aufbauen, damit Freiwillige und Pflegebedürftige zueinander finden. Als hilfreich haben sich während des 1. Lockdowns spontane freiwillige Initiativen wie z. B. Einkaufhilfen bewährt.
Langfristig aber gilt es, die Rechte der pflegenden Angehörigen im Pflegesystem zu stärken, sie konsequent finanziell abzusichern und Entlastungsangebote flächendeckend zugänglich aufzubauen. Denn bei alle Liebe, die pflegende Angehörige antreibt, ist Pflege Care-Arbeit, die gesellschaftlich anerkannt werden muss.“